Der umstrittene Einsatz von Beruhigungs- und Schlafmitteln in deutschen Pflegeheimen: Zeit für Veränderung
Die Stiftung Patientenschutz schlägt Alarm: Die dauerhafte Verabreichung von Beruhigungs- und Schlafmitteln an Pflegebedürftige in deutschen Pflegeheimen müsse dringend überdacht und reduziert werden.

Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung, hat Bund und Länder aufgefordert, gegen diese Praxis vorzugehen und fordert mehr Transparenz. Dabei stellt sich die Frage, warum eine so gravierende Angelegenheit, die Hunderttausende von Menschen betrifft, nicht bereits stärker in den öffentlichen Fokus gerückt ist.
Der Anlass für die besorgte Intervention der Stiftung Patientenschutz ist ernst: Laut dem jüngsten Pflegereport des AOK-Verbandes werden bundesweit 7,6 Prozent der Pflegeheimbewohner für eine problematisch lange Zeit mit Beruhigungs- und Schlafmitteln versorgt. Die Langzeiteffekte solcher Medikamente sind nicht unerheblich und reichen von Schwindel und Benommenheit über schwere Stürze bis hin zu Apathie oder Aggression.
Es ist nicht so, dass es keine positiven Entwicklungen im Bereich der Pflege gäbe. Tatsächlich hat der Einsatz von physischen Restriktionen wie Bettgittern und Fixierungen dank breit angelegter Kampagnen der Länder und Pflegeheimbetreiber abgenommen. Doch hier, so Brysch, wurde der "Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben". Statt der physischen Restriktionen werden nun pharmakologische Maßnahmen eingesetzt, um die Pflegebedürftigen ruhigzustellen.
Auch die Situation der Sterbebegleitung in Pflegeheimen wird kritisch betrachtet. Während Hospize rund 10.000 Euro monatlich von den Sozialkassen erhalten, stehen stationären Pflegeeinrichtungen keine zusätzlichen Mittel für die Hospiz- und Palliativarbeit zur Verfügung. Das Ergebnis ist eine hohe Quote an Krankenhauseinweisungen von Pflegeheimbewohnern am Lebensende, ein Umstand, den Brysch als "nicht überraschend" bezeichnet.
Eugen Brysch fordert daher ein permanentes Monitoring des Einsatzes von Psychopharmaka in Pflegeeinrichtungen. "Transparenz ist die Voraussetzung für einen Rückgang der ruhigstellenden Medikamente", mahnt er. Dies wäre ein erster, entscheidender Schritt in die richtige Richtung.
Dass Hunderttausende von Menschen von dieser Praxis betroffen sind und der gesellschaftliche Aufschrei bisher ausbleibt, wirft ein beunruhigendes Licht auf den Zustand des Pflegesektors in Deutschland. Es ist an der Zeit, dass Bund und Länder aktiv werden und für die Rechte und das Wohl der Pflegebedürftigen eintreten.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Symbolbild
Mittwoch, 20 September 2023