Zerstörung der Nordstream-Pipelines: Beziehungen zwischen Europa und USA zunehmend belastet
Die Zerstörung der beiden Nordstream-Pipelines entwickelt sich zu einer schweren Belastung für die geopolitischen Bündnispartner in Europa und Nordamerika.

Von Ramiro Fulano
Meine Damen und Herren, wie werden selbstverständlich niemals erfahren, wer hinter der Attacke auf das bei weitem bedeutendste europäische Infrastruktur-Projekt seit dem vorläufig letzten Weltkrieg steckt. Aber wenn es das Lieblingshassobjekt des linksalternativen Gut-und-Bessermenschentums, also der Pu-Pu-Pu-Putin des „politischen Irrsinns“ gewesen wäre, dann wüssten wir es längst. Apropos: Wo sind die Edward Snowdens, wo die „Wikileaks“ dieser Welt jetzt, da wir sie wirklich bräuchten? Rhetorische Frage.
So bleibt es bei einem schlimmen Verdacht und der könnte über kurz oder lang eine wesentlich zerstörerische Kraft entfalten als jede noch so unbequeme Wahrheit es je vermöchte. Nämlich, dass die USA in ihrer Funktion als wesentlicher Sicherheitsgarant, als Schutz- und Trutzmacht, als geopolitischer Vormund und atomarer Hegemon eines beizeiten infantilen und narzisstischen – in jeder Hinsicht entwicklungsgestörten und realitätsuntauglichen Mittel- und Westeuropas – kurzen Prozess gemacht hat mit den geopolitischen Ambitionen seiner Mündel. Und deren Versuche, sich von seinem Oheim unabhängig zu machen, ruchlos im Keim erstickt hat.
Nicht schlecht für eine Nation, die sich in ihrer Jugend selbst unter großen Opfern von ihrem Hegemon befreien musste.
Die Geschichte insbesondere der letzten hundert Jahre lehrt indes, dass einseitige und inoffizielle Interventionen oftmals ganz anders verlaufen und zu ganz anderen Resultaten führen als von deren Urhebern ursprünglich beabsichtigt.
Es liegt in der Natur aller handelsüblichen deniable operations (das sind jene, für die niemand jemals die politische Verantwortung übernehmen wird), dass dabei jede Menge schiefgehen kann. Ihre Effekte sind im Vorwege schlecht und vor allem nur unvollständig absehbar, sodass es einfach zu viele Unwägbarkeiten fürs politische Tagesgeschäft gibt, um sie als ein adäquates Instrument im Macht-Poker zwischen den Staaten uneingeschränkt zu empfehlen. Sie sind ein Mittel der letzten Wahl.
Dessen ungeachtet haben die einschlägigen Kreise in Washington, sicherlich auch in Whitehall, jede Menge praktische Erfahrungen mit inoffiziellen Interventionen aller Art. Erwähnt seien hier nur Anthony Edens Bauchlandung am Suez-Kanal oder John F. Kennedys Reinfall in der Schweine-Bucht (oder die US-Intervention in Belize, von der man selbst in London erst aus der Zeitung erfuhr).
Es gehört offenbar zum Gepränge jeder satisfaktionsfähigen Großmacht, zu machen was man will, wann man will und wo man will. Also sich aufzuführen wie Graf Rotz auf Koks. Und natürlich verfügt die letzte verbliebene Supermacht über die einschlägigen „Dienste“ aller Art, die als wichtigste politische Dienstleister ihrer Regierung all überall Massenvernichtungswaffen wittern können, wann immer das politisch opportun erscheint.
Staaten, so wussten bereits Henry Kissinger, Charles de Gaules und vor ihnen Lord Palmerston, zweimaliger britischer Premierminister und Gottkönig der britischen Außenpolitik der Ära 1830 bis 1865, haben indes keine ständigen Freunde oder Feinde. Sondern Staaten haben Interessen.
Dieses unromantische realpolitische Kalkül scheint in den Hauptstädten eines seit vielen Jahren nicht eben vom Glück verfolgten westeuropäischen Teilkontinents in Vergessenheit geraten zu sein. Eine Generation kindlich-menschelnder Schönwetter-Diplomatie und süßlich-naiver - um nicht zu sagen: idiotisch-selbstzerstörerischer - Verteidigungspolitik hat jeglichem europäischen Anspruch, Macht über Distanz zu projizieren, den Rest gegeben. Für seine fulminant gescheiterte Verteidigungspolitik ist der Selbstbedienungsladen namens EU natürlich ausschließlich selbst verantwortlich.
Lord Palmerstons Devise lebt heute außer in Washington nicht ohne Erfolg im Kreml und ganz sicher in Beijing und New Delhi, während man und frau in Bruxelles sich noch immer kaum vorstellen kann, dass die Welt jenseits der porösen Außengrenzen der Brüsseler Beamtendiktatur weitergeht. Zu und zu schön ist die europäische Nabelschau, mit der man sich im Berlaymont-Gebäude am liebsten beschäftigt.
Unabhängig von den USA handlungsfähige Verbände oder Einheiten sind im westeuropäischen Teilkontinent seit Jahrzehnten die Ausnahme, nicht die Regel. Nämlich seit eine Generation von märchenhaften, verträumten Verteidigungspolitikerinnen jederlei Geschlechts die praktischen Möglichkeiten ihrer Truppen auf ein Niveau knapp oberhalb des Technischen Hilfswerks und der Polizei heruntergespart hat. Energiepolitik ist indes noch immer Realpolitik.
Aber keine Sorge, liebe linksalternative Gut-und-Bessermenschen: Zur gewaltsamen Unterjochung der „Wutbürger“ wird die Kampfbereitschaft der Bundeswehr gerade noch reichen, wenn wider Erwarten im kommenden Winter der gerechte Zorn gerade noch rechtzeitig vor dem Dritten und damit hoffentlich auch letzten Weltkrieg eskaliert. Die einzige nennenswerte Genugtuung wird es dann sein, dass diesmal die politisch Verantwortlichen – zumindest aber deren Wähler – zusammen mit ihren Opfern untergehen.
Während auf dem westeuropäischen Teilkontinent nun also zum dritten Mal in rund hundert Jahren all jene Lichter erlöschen, von denen es 1914 hieß, es werde lange dauern, bis sie wiederangehen, scheint eine definitive Abrechnung mit den für dieses neuerliche historische Desaster „unter deutscher Führung“ politisch verantwortlichen linksalternativen Gut-und-Bessermenschen das Mindeste, was angebracht erscheint. Nach Sozialismus kommt Krieg – sowohl nach dessen nationaler wie nach dessen internationaler Variante, wie man sieht.
Allein: ohrenbetäubendes Schweigen allenthalben. Die Schnarch-Michel ziehen sich die Bettdecke über den Kopf und wiegen sich in den verfrühten Winterschlaf. Ihre Hibernation wird von den geistigen Elendsvierteln der veröffentlichten Meinung nach Kräften gefördert, denn für den Filz aus offiziellem Narrativ und offizieller Politik ist der Konflikt mit der Wirklichkeit bereits jetzt schon peinlich genug. Und er wird allmählich existenzbedrohlich.
Wie soll man da noch eine überteuerte Wohnung in Szenelage abbezahlen, liebe gebührenfinanzierte Lügensäue jederlei Geschlechts?
Eine ehrliche Bilanz der europäischen Außenpolitik seit 1989, zumindest aber seit der von den Ökopathen inszenierten „Energiewende“, könnte sich nicht um die Einsicht herumdrücken, dass Krautland sich auf eine rücksichtslos-bornierte Art und Weise das Beste beider Welten unter den Nagel reißen wollte: Nato-Schutz zum halben Preis und billiges russisches Erdgas, damit die „erneuerbaren Energien“ zum Schein funktionieren, die Windmühlenflügel sich drehen (nichts anderes interessiert die zweckdienlich verblödete „grüne“ Basis). Mit diesem Plan ist die offizielle Politik der letzten zwanzig Jahre auf fulminante Art gescheitert.
Scholztens steht man vor einem Scherbenhaufen, der sich dank noch mehr amerikanischer „Intervention“ (vulgo: Sabotage) schnell zu einem strahlenden Trümmerhaufen entwickeln kann. Nämlich, wenn man in den USA vergisst, dass man die Kuh nicht gleichzeitig schlachten und melken kann.
Als Moral von der Geschichte bleibt für Krautland nur die schwierige Entscheidung, entweder in der polypolaren geopolitischen Welt der Zukunft als neutraler Staat (eine vom Aussterben bedrohte Gattung) auf sich selbst gestellt zu existieren, so wie es die Schweiz seit Jahrhunderten sehr erfolgreich macht. Aber der dafür notwendige Charme und das unerlässliche Talent, wenigstens für irgendetwas gut zu sein, müsste man in Deutschland erst allmählich entwickeln.
Oder sich dem US-Diktat unterzuordnen und – nicht anders als das Vereinigte Königreich (das Gerüchten zufolge seinen Teil zur Nordstream-Sabotage beigetragen haben soll) – seine geopolitischen Ambitionen als Diener zweier Herren (Moskau und Washington) sowie als europäische Führungskraft bis auf weiteres an den Nagel zu hängen.
Das wäre dann „Europa“ (= EU) unter amerikanischer Führung, wie wir es bis 1989 hatten. Und angesichts des absoluten Debakels, als das sich die EU im Namen „europäischer Werte“ (und auf amerikanische Kosten) erwiesen hat, wäre das wahrscheinlich nicht mal das Schlimmste, das 350 Millionen EU-Insassen momentan zustoßen kann.
Autor: Ramiro Fulano
Bild Quelle: Vuo, CC BY-SA 4.0
Montag, 03 Oktober 2022